Wenn man keine Dreh- oder Überkopfbewegungen mit dem Arm mehr ausführen kann, ohne dass sich sofort ziehende oder stechende Schmerzen im Schulterbereich bemerkbar machen, sollte man das nicht als lästiges, aber harmloses Alterszipperlein hinnehmen, sondern die Ursache dafür baldmöglich orthopädisch abklären lassen.
»Häufig steckt ein Riss der Rotatorenmanschette dahinter«, sagt Dr. Lennart Konvalin vom Orthopädischen Versorgungszentrum im Helios. Welche Therapiemöglichkeiten es gibt, erklärt der Münchner Orthopäde und Unfallchirurg im Gespräch mit TOPFIT.
Von Dr. Nicole Schaenzler
Herr Dr. Konvalin, was genau ist die Rotatorenmanschette?
Dr. Konvalin: Die Rotatorenmanschette setzt sich aus vier Muskeln und deren Sehnen zusammen. Diese Sehnen verlaufen direkt um das Schultergelenk in einem engen knöchernen Kanal zwischen Oberarmkopf und Schulterdach. Man könnte die Rotatorenmanschette auch als dynamischen Stabilisator des Schultergelenks bezeichnen: Während die beteiligten Muskeln dafür sorgen, dass der Arm im Schultergelenk rotiert und abgespreizt werden kann, umschließen die starken Sehnen den Oberarm wie eine Manschette und sorgen für eine optimale Positionierung und Stabilisierung des Oberarms in der Gelenkpfanne. Bereits kleine Defekte an einer Sehne können das komplexe Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht bringen und die Präzisionsarbeit der Rotatorenmanschette empfindlich stören.
Wodurch kann ein solcher Defekt entstehen?
Dr. Konvalin: Die mit Abstand häufigste Ursache sind Verschleißerscheinungen an einer oder an mehreren Sehnen der Rotatorenmanschette. Deshalb sind es typischerweise Menschen im höheren Lebensalter, die einen Riss der Rotatorenmanschette erleiden. Das Ausmaß variiert vom kleinen Teilriss bis hin zu ausgedehnten Einrissen der gesamten Rotatorenmanschette. Oft besteht gleichzeitig eine – zumeist anlagebedingte – knöcherne Enge im Raum zwischen Oberarmkopf und Schulterdach. Durch das ständige Reiben am Knochen nutzt die Sehne schneller ab und wird anfällig für Schädigungen. Hiervon ist häufig die Supraspinatussehne betroffen, aber auch andere Sehnen der Rotatorenmanschette können in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann kann bereits eine Alltagstätigkeit, wie z. B. das Heben des Einkaufskorbs, zu starken Schulterschmerzen führen.
Kann eine eingerissene Rotatorenmanschette von selbst heilen?
Dr. Konvalin: Nein, in der Regel nicht. Ist der Defekt erst einmal entstanden, besteht die Gefahr, dass er größer wird, wenn er unbehandelt bleibt. Im Extremfall wird dann sogar ein operativer Eingriff notwendig, was vielleicht in einem früheren Stadium nicht erforderlich gewesen wäre.
Welche Beschwerden sind typisch?
Dr. Konvalin: Eine Rotatorenmanschettenruptur geht oft mit einem Kraftverlust des Arms und einer eingeschränkten Beweglichkeit einher. Viele Patienten klagen zudem über Schmerzen in der Nacht, wenn sie sich auf die betroffene Schulter legen. Oder es treten Schmerzen bei bestimmten Armbewegungen auf. Aber es ist auch möglich, dass der Defekt erst einmal unerkannt bleibt, weil er kaum oder gar keine Symptome verursacht.
Kann die Rotatorenmanschette auch bei jüngeren Menschen reißen?
Dr. Konvalin: Bei jüngeren Menschen handelt es sich bei Rissen der Rotatorenmanschette oft um eine akute Verletzung, etwa infolge eines Sportunfalls oder eines Sturzes, bei dem man sich mit ausgestrecktem Arm abzufangen versucht hat. Oft sind auch weitere Strukturen der Schulter verletzt, z. B. der knöcherne Oberarmkopf, sodass in bestimmten Fällen eine OP notwendig werden kann. Je nach Art und Ausmaß der Verletzung kommen meist entweder eine arthroskopische Rekonstruktion und Refixierung der Rotatorenmanschette oder eine offen minimal-invasive Vorgehensweise, die sogenannte Mini-Open-Repair-Technik, infrage. Von einem erfahrenen Schulterspezialisten durchgeführt, sind beide Verfahren erfolgreiche, risikoarme Eingriffe, die den Patienten im Allgemeinen nur wenig belasten. Man muss jedoch eine mehrwöchige Zeit der Nachbehandlung einplanen, die nach der Ruhigstellungsphase u. a. eine intensive Physiotherapie vorsieht.
Muss auch eine degenerativ bedingte Rotatorenmanschettenruptur immer operiert werden?
Dr. Konvalin: Nein, in vielen Fällen reicht bereits eine konservative Behandlung aus, um dem oder der Betroffenen zu einer Linderung ihrer Beschwerden zu verhelfen. Infrage kommen z. B. neben einer entzündungshemmenden lokalen Infiltrationstherapie und einer Physiotherapie auch die PRP-Therapie. Das ist eine spezielle Form der Eigenbluttherapie, die gut verträglich ist.
Was bedeutet PRP genau?
Dr. Konvalin: PRP steht für Platelet Rich Plasma bzw. plättchenreiches Plasma, ein körpereigenes Blutplasma, das in einem speziellen Herstellungsprozess konditioniert wurde. Das Besondere an dem aufbereiteten Blutplasma: Es enthält vor allem Blutplättchen (Thrombozyten) und zahlreiche Wachstumsfaktoren. Im Körper setzen die biologisch aktiven Substanzen bei Wunden und Verletzungen umgehend die Heilung in Gang. Und genau diesen Effekt macht sich die PRP-Therapie zur Reparatur und Regeneration einer eingerissenen Rotatorenmanschette zunutze. Der schmerzlindernde Effekt tritt oft bereits schon nach dem ersten Behandlungszyklus ein.
Zur Person
Dr. med. Lennart Konvalin ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und praktiziert im Orthopädischen Versorgungszentrum im Helios, wo er von angeborenen orthopädischen Fehlbildungen über akute Unfallereignisse bis hin zu degenerativen muskuloskelettalen Krankheitsbildern sämtliche Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats diagnostiziert und behandelt. Die konservative und operative Behandlung von Schulterbeschwerden gehört zu den Schwerpunkten seines Leistungsspektrums.
Nähere Infos: www.mvz-im-helios.de