Globuli für Tiere

Ganzheitliche Tiermedizin

Jeder Organismus — ob Mensch oder Tier — ist ein Individuum. Also muss der Heilungsimpuls auch individuell gewählt werden. Hier leistet die Homöopathie wertvolle Dienste. Denn als ganzheitliche Therapieform berücksichtigt die Homöopathie nicht nur die körperliche Symptomatik des kranken Tiers, sondern auch seine individuelle Persönlichkeit und Umwelt.

Von Dr. Brigitte Hentschel

Es gibt keine noch so kleine ­Zelle oder ein ­Gewebe,
das nicht Lebenskraft enthielte.
Dr. med. James T. Kent, Homöopath und Naturarzt

Zwei Menschen können die gleiche Krankheit haben und dennoch verschieden leiden. Dasselbe gilt auch für Tiere. Nicht jedes Tier, das dasselbe Symptom produziert, benötigt dieselbe Arznei. Zudem lebt kein Haustier allein, sondern mit Menschen zusammen – in einem sozialen Gefüge also, welches ebenfalls einzigartig ist. Besonders diejenigen Symptome und Charakteristika, die den Patienten individuell auszeichnen, interessieren den homöopathisch arbeitenden Tierarzt. Sowohl bei der Fallaufnahme als auch in der Wahl des richtigen Arzneimittels sind sie essentiell. Um Heilung herbeizuführen, verwendet die Homöopathie eine Vielzahl verschiedener Arzneimittel pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs – aber auch Krankheitsprodukte (Nosoden). Jede Arznei hilft dem Körper, sich selbst zu helfen, indem sie ihm genau den Impuls gibt, den er in diesem Moment braucht. In der Homöopathie führt nur die Wahl des richtigen Arzneimittels – nämlich des Ähnlichsten! – zur Heilung.

Similia similibus curentur

Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden: Dies ist der Leitsatz der Klassischen Homöo­pathie. Er bedeutet, dass eine Arznei einen kranken Organismus nur heilen kann, wenn sie die Symptome derselben Krankheit bei einem gesunden Organismus hervorrufen kann. Die Formulierung dieses Ähnlichkeitsprinzips 1796 durch den deutschen Arzt Samuel Hahnemann gilt als Geburtsstunde der Homöopathie. Die Homöopathie geht davon aus, dass es in jedem Körper eine übergeordnete Kraft gibt, die sowohl für Krankheit als auch für Heilung zuständig ist – die Lebenskraft. Sie verbindet Körper und Geist. Materie existiert, aber nur in Verbindung mit der Lebenskraft lebt sie. Dementsprechend versteht die Homöopathie unter Krankheit keine Funktionsstörung einzelner Körperteile, sondern eine Verstimmung der Lebenskraft. Was die Schulmedizin gemeinhin als Krankheit bezeichnet, ist also nur die Art und Weise, wie sich die verstimmte Lebenskraft des Organismus nach außen darstellt. Es genügt daher nicht, die Symptome zu behandeln, sondern die Lebenskraft muss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Unter einer ganzheitlichen Therapie – also einer Therapie von Körper und Lebenskraft – kann dies geschehen.

Beispiel aus der Praxis

Ein Hund aus schwierigen Verhältnissen (er wurde bei seinem Vorbesitzer misshandelt) entwickelt nach einiger Zeit bei seinem neuen Besitzer hartnäckigen Durchfall, der immer dann auftritt, wenn der neue Besitzer ihn allein lässt. Der Hund ist ansonsten lieb und sehr auf seinen Besitzer fixiert. Dieser Hund bekommt gegen seinen Durchfall ein Antibiotikum. Der Durchfall verschwindet. Doch zwei Wochen später muss der Besitzer geschäftlich verreisen und lässt den Hund wieder allein. Der Durchfall tritt wieder auf und wird abermals antibiotisch behandelt. So geht es in einem fort. Eine antibiotische Behandlung folgt der nächsten – jede davon eine große Belastung für den Körper, aber ohne andauernden Heilungserfolg. Kein Wunder, denn es wurde jedes Mal einzig das Symptom behandelt (nämlich der Durchfall) und nicht die verstimmte Lebenskraft. Ein homöopathisch arbeitender Tierarzt dagegen würde die Vorgeschichte des Hundes erfragen und den traumatisch bedingten Auslöser erkennen. Beides würde in die Mittelwahl mit einfließen, ebenso wie die individuellen Charaktereigenschaften des Hundes, die ihn einzigartig machen. Bei sorgfältiger Mittelwahl wäre der Hund dauerhaft durchfallfrei – und das ohne schädliche Nebenwirkungen.

Vielfältige Anwendungsgebiete

Die Anwendungsgebiete der Klassischen Homöopathie sind vielfältig. Klassische Homöopathie kann bei akuten und chronischen Erkrankungen Heilung bringen. Vor allem in chronischen Fällen, wie in unserem Hundebeispiel, ist unter homöopathischer Therapie meist Ruhe. Auch »schulmedizinisch austherapierte Fälle« – Fälle, die niemals richtig heilen, sondern durch Dauer­therapie mit Medikamenten »in Schach« gehalten werden müssen (z. B. chronische Haut­erkrankungen, Allergien, Schmerzpatienten oder neurologische Leiden) – haben unter sorgfältiger homöopathischer Therapie die Chance auf allmähliche Heilung. Ergänzend zu chirurgischen Eingriffen kann Homöopathie wertvolle Dienste leisten, um z. B. postoperative Entzündungen oder Wundheilungsstörungen zu verhindern. Als Erste-Hilfe-Maßnahme wird sie ebenfalls gern eingesetzt sowie als Palliativmedizin bei Krebs.

Doch auch Homöopathie hat ihre Grenzen. Da sie die Selbstheilungskräfte des Körpers ausnutzt, ist ihre Wirkung immer dann begrenzt, wenn die Lebenskraft bereits derart geschwächt ist, dass sie auf Heilungsimpulse nicht mehr ansprechen kann. Das kann bei Organversagen der Fall sein, etwa bei schweren Krebspathologien. Auch Krankheiten, die mit Fehlfunktionen diverser Organe einhergehen – z. B. Diabetes mellitus oder die chronische Nierenerkrankung bei Katzen – sind homöopathisch nicht zu heilen. Allerdings gibt es hervorragende Arzneien, mit denen man die Auswirkungen dieser Organschäden auf den Körper abfangen und die Lebensqualität der Tiere immens steigern kann!

Ursprünglich für den Menschen entwickelt

Da die Klassische Homöopathie ursprünglich für den Menschen entwickelt wurde, orientiert sich die Tierhomöopathie an der für den Menschen entwickelten Symptomatik. Die Kunst dabei ist, die Symptome der tierischen Patienten – insbesondere Geist- und Gemütssymptome – in das entsprechende menschliche Symptom zu übersetzen. Für einen unerzogenen Hund wäre z.B. das Symptom »Neigung zu widersprechen« zu verwenden. »Nägelkauen« beim Menschen könnte man beim Tier mit Pfotenbeißen oder Federrupfen gleichsetzen. Andererseits wäre das Fressen von Kot bei einem Kaninchen oder Pferd nichts Besonderes und würde als Symptom homöopathisch keine Beachtung finden.

Ausführliche Anamnese

Mensch und Tier sind verschieden und haben verschiedenartige Eigenheiten. Besonders bei chronischen Krankheiten ist deshalb ein ausführliches Anamnesegespräch mit dem Tierbesitzer notwendig. In diesem wird der Tierarzt nicht nur die rassespezifische angeborene Krankheitsdisposition berücksichtigen, sondern auch mögliche erworbene Krankheitsdispositionen erforschen, etwa Belastungen durch frühere Erkrankungen oder Behandlungen, durch Haltung, Nutzung oder Fütterung, durch Traumata oder unbewusste Einflüsse des Tierbesitzers auf sein Tier. Ein homöopathisch arbeitender Tierarzt wird das Tier außerdem gründlich tiermedizinisch untersuchen und gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen (z. B. Blut- und Urinprofile, Kotuntersuchungen, Röntgen oder Ultraschall) durchführen (lassen). So werden eventuell vorhandene physische Traumata erkannt (z. B. Knochenbrüche, Risse, innere Blutungen), die einer chirurgischen Versorgung bedürfen. Auch Organ­defekte, z. B. eine Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse (bei Diabetes mellitus), der Schilddrüse oder eine chronische Herzinsuffizienz erkennt ein Tierarzt sofort. Solche Erkrankungen benötigen in jedem Fall eine entsprechende schulmedizinische Medikation (z. B. Insulinsubstitution), denn die Organe sind geschädigt und werden von allein nicht besser. Auch Homöopathie heilt keine kaputte Bauchspeicheldrüse, doch es gibt hervorragende Arzneien, um den Körper bei der Kompensation zu unterstützen, seine Lebenskraft zu stärken und so die Zufuhr chemischer Medikamente auf ein Minimum zu reduzieren. Die Lebensqualität des Tieres wird so verbessert.

Ein homöopathisch arbeitender Tierarzt verknüpft also Wissen und Regeln moderner Medizin mit den Prinzipien Hahnemanns. Nach gründlicher Diag­nostik und Sammlung aller wichtigen Parameter wird eine ausführliche Fall­aufnahme durchgeführt. Das so entstandene Gesamtbild des tierischen Patienten verhilft zur Mittelfindung. So kann der Therapeut ihn optimal homöopathisch behandeln – und seine Genesung schnell, sanft, sicher und, wenn möglich, dauerhaft herbeiführen. Zum Wohl des Tieres.

Fünf wichtige homöopathische Arzneimittel für die »tierische Notfallapotheke«

Name empfohlene Potenz und Dosierung Anwendungsbeispiele
Arnica montana C30 alle 1–8 Std. bis eine Besserung eintritt Schlagverletzungen, Prellungen, Quetschungen
Apis mellifica C30 1 x täglich bis eine Besserung eintritt Bienen-/Wespenstiche, lokale Entzündungen der Haut mit Schwellung und Wärme
Calendula officinalis C30 1 x täglich bis Besserung eintritt oder
lokal als Salbe oder ­Urtinktur zum Auftragen
auf die Haut ­(Urtinktur 1:10 verdünnen)
Infektionsprophylaxe bei Wunden, fördert die Wundheilung, wirkt blutstillend
Hypericum perforatum C30 1 x täglich bis eine Besserung eintritt Verletzung nervenreichen Gewebes (z. B. Krallenabriss)
Staphysagria C30 1 x täglich bis eine Besserung eintritt Schnitt-/Stichverletzungen, postoperativer Schmerz

Zur Person

Dr. med. vet. Brigitte Hentschel ist in München in einer eigenen Praxis mit Tätigkeitsschwerpunkt Klassische Homöopathie niedergelassen. Davor hat sie nach abgeschlossenem tiermedizinischen Hochschulstudium an der Ludwig-Maximillian-Universität in München mit anschließender Promotion lange Jahre in der schulmedi­zinischen Tierarztpraxis gearbeitet.
Nähere Infos unter: www.tierarztpraxis-hentschel.de oder unter Tel. 0173 / 344 59 81