Eiszeit in der Schulter

Es gibt Erkrankungen, für die erst einmal kein Grund erkennbar ist — und dennoch können sie den Betroffenen so schwer zu schaffen machen, dass ihre Lebensqualität lange Zeit massiv beeinträchtigt ist. Eine solche Erkrankung ist die Frozen Shoulder. »Auch wenn es bislang keine kausale Therapie gibt, bei einer guten orthopädischen Begleitung sind die Aussichten auf eine vollständige Genesung sehr gut«, sagt der Münchner Orthopäde Dr. Lennart Konvalin vom Orthopädischen Versorgungszentrum im Helios.

von Dr. Nicole Schaenzler

Herr Dr. Konvalin, wodurch entsteht eine Frozen Shoulder?
Dr. Konvalin: Gründe für sekundäre Formen sind z. B. Unfälle, Sehnenrisse oder Operationen. Die genaue Ursache der primären Form ist dagegen unklar. Diskutiert wird unter  anderem eine genetische Disposition. Auffällig ist auch, dass Erkrankungen wie Diabetes oder Schilddrüsenfunktionsstörungen das Risiko erhöhen. Der Ausgangspunkt für das Krankheitsgeschehen einer Frozen Shoulder ist dagegen bekannt: An der Kapsel, die das Schultergelenk umgibt, spielen sich Entzündungsprozesse ab. Dadurch verdickt und verklebt die Gelenkkapsel, sie schrumpft und lässt dem Schultergelenk buchstäblich keinen Raum mehr für Bewegung.

Wer ist besonders oft betroffen?
Dr. Konvalin:  Unsere Patientinnen und Patienten sind im Durchschnitt zwischen 40 und 60 Jahre alt, wobei die Anzahl der Patientinnen deutlich überwiegt. Tatsächlich sind sogar deutlich mehr als die Hälfte der Betroffenen Frauen – weshalb das so ist, ist nach wie vor nicht vollständig geklärt.

Die Erkrankung kann Monate und sogar Jahre andauern. Welcher Krankheitsverlauf ist typisch?
Dr. Konvalin: Typisch ist der Verlauf in Phasen mit fließenden Übergängen: Im Initialstadium dominiert der Schmerz mit zunehmender Bewegungseinschränkung. Nachts können die Patienten kaum schlafen, weil sie keine Position finden, in der sie schmerzfrei liegen können. In der zweiten Krankheitsphase steht die Schultersteifheit im Vordergrund. Dann ist die Schulter in ihrer Beweglichkeit so stark eingeschränkt, dass Alltagstätigkeiten kaum mehr ausgeführt werden können. Immerhin lassen nun die Schmerzen häufig etwas nach, weil die akute Entzündung langsam abklingt. Im dritten und letzten Stadium taut die Schulter wieder auf und sie lässt sich wieder besser bewegen. Insgesamt kann es etwa zwei Jahre, im Einzelfall auch länger dauern, bis die Erkrankung überstanden ist.

Eine Frozen Shoulder gilt als schwer therapierbar. Gibt es trotzdem Maßnahmen, die helfen?
Dr. Konvalin: Es stimmt, eine kausale Therapie, die auf einer leitliniengerechten Empfehlung basiert, gibt es nicht. Deshalb stützte sich die Behandlung bislang vor allem auf Maßnahmen, die auf eine Linderung der Schmerzen und Bewegungseinschränkungen abzielen. Dabei orientiert sich die Therapie individuell an den jeweiligen Phasen. Beispielsweise stehen in der ersten Phase Schonung und anti-entzündliche Maßnahmen wie die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika und Applikationen von Kortikosteroiden direkt ins Schultergelenk im Vordergrund. Auf einen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Effekt zielt auch die PRP-Therapie, eine Form der Eigenbluttherapie, bei der aufbereitetes Blutplasma mit einer hohen Konzentration an Thrombozyten und Wachstumsfaktoren zum Einsatz kommt. Das Konzentrat wird ebenfalls direkt in die betroffene Schulter injiziert.

Wie behandeln Sie Ihre Patientinnen bzw. Patienten in der zweite und dritten Krankheitsphase?
Dr. Konvalin: In Phase zwei geht es vor allem um eine behutsame Wiedererlangung der Beweglichkeit: Hierbei hat die Physiotherapie einen hohen Stellenwert. Auch die extrakorporale Stoßwellentherapie kann zu diesem Zeitpunkt einen wertvollen Beitrag zur Besserung der Beschwerden leisten; darauf deuten aktuelle Studien hin. Die Therapieziele in der dritten Krankheitsphase sind die Wiederherstellung des vollen Bewegungsumfangs und die Kräftigung der umliegenden Muskulatur, um dauerhafte Einschränkungen zu vermeiden

Zur Person

Dr. med. Lennart Konvalin ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und praktiziert im Orthopädischen Versorgungszentrum im Helios, wo er von angeborenen orthopädischen Fehlbildungen über akute Unfallereignisse bis hin zu degenerativen muskuloskelettalen Krankheitsbildern sämtliche Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats diagnostiziert und behandelt. Die konservative und operative Behandlung von Schulterbeschwerden gehört zu den Schwerpunkten seines Leistungsspektrums.

Nähere Infos: 
www.mvz-im-helios.de

 

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