»Kranke Hände beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich!«

Rhizarthrose, Karpaltunnelsyndrom, schnellender Finger – schmerzhafte Erkrankungen der Hände sollten grundsätzlich zeitnah behandelt werden. »Dabei geht es nicht nur darum, Schmerzen zu lindern, sondern gerade nicht oder nicht ausreichend behandelte Handerkrankungen können im Extremfall irreparable Funktionseinbußen nach sich ziehen«, betont der Münchner Orthopäde Dr. Steffen Zenta vom Orthopädischen Versorgungszentrum (MVZ) im Helios München und Leiter des Hand- und Fußzentrums München (HFZ) im Gespräch mit TOPFIT.

von Dr. Nicole Schaenzler

Herr Dr. Zenta, täuscht der Eindruck oder haben Frauen wirklich öfter Probleme mit ihren Händen als Männer?

Dr. Steffen Zenta: Es stimmt, unter einigen Handerkrankungen leiden Frauen signifikant häufiger als Männer. Dazu gehören z.B. das Karpaltunnelsyndrom und die Rhizarthrose – hieran ist jede dritte Frau über 50 Jahre erkrankt, wohingegen Männer zehnmal seltener betroffen sind. Die Ursachen sind weitgehend unklar, diskutiert werden u. a eine genetische Veranlagung und hormonelle Einflüsse. So macht sich beispielsweise eine Rhizarthrose bei Frauen auffallend oft kurz nach den Wechseljahren das erste Mal bemerkbar. 

Welches Gelenk ist von einer Rhizarthrose betroffen?

Dr. Zenta: Bei einer Rhizarthrose handelt es sich um einen Verschleiß des Knorpels im Daumensattelgelenk, das ist das Gelenk, dem der Daumen seine enorme Beweglichkeit verdankt. Es befindet sich in der Nähe des Handgelenks und verbindet den ersten Mittelhandknochen mit dem Vieleckbein des Handwurzelknochens. Die Rhizarthrose ist neben der Heberden-Arthrose, bei der sich die Arthrose an den Fingerendgelenken abspielt, die häufigste degenerative Erkrankung der Hand.

Woran erkennt man die Erkrankung?

Dr. Zenta: Typische Anzeichen sind ein Nachlassen der Kraft bei Tätigkeiten des Daumens und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Daumenbasis, insbesondere beim Halten und Greifen von Gegenständen oder bei Drehbewegungen. Dann können z. B. schon das Drehen des Schlüssels im Türschloss oder das Öffnen eines Schraubverschlusses Probleme bereiten. Leider hat die Rhizarthrose eine ausgeprägte entzündliche Komponente, sodass immer wieder akute Schmerzepisoden auftreten. Im fortgeschrittenen Stadium sind bleibende Funktionseinbußen möglich – bis hin zum Schwund der Daumenmuskulatur. Umso wichtiger ist es, einem Fortschreiten der Erkrankung durch eine möglichst frühzeitige Behandlung entgegenzuwirken.

Welche Behandlungen kommen infrage?

Dr. Zenta: Helfen können neben lokal wirkenden entzündungs- und schmerzlindernden Salben oder Tabletten auch eine individuell angepasste Daumenorthese. Darüber hinaus haben sich Infiltrationen ins Gelenk mit Hyaluronsäure bewährt. Eine weitere Option ist die PRP-Therapie. PRP steht für »plättchenreiches Plasma«, ein aus patienteneigenem Blut gewonnenes und speziell aufbereitetes Konzentrat, das neben Blutplättchen auch zahlreiche Wachstumsfaktoren enthält. Ins Gelenk injiziert, wirkt das Konzentrat direkt vor Ort den Entzündungsprozessen entgegen und lindert die Schmerzen. Gerade bei Arthrose haben wir mit dem Verfahren gute Erfahrungen gemacht. Einen therapeutischen Effekt haben auch die Röntgen-Tiefenbestrahlung und die Radiosynoviorthese, die in radiologischen Praxen zur Anwendung kommen. Ein chirurgischer Eingriff ist dagegen in den seltensten Fällen sinnvoll und sollte nur dann eine Option sein, wenn alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft sind.  

Gehört auch ein Karpaltunnelsyndrom zu den degenerativen Handerkrankungen?

Dr. Zenta: Nein, ein Karpaltunnelsyndrom ist ein Nervenkompressionssyndrom. Allerdings kann eine degenerative Komponente hinzukommen, wenn die Erkrankung unbehandelt bleibt. Ausgangspunkt ist ein bedrängter Mittelhandnerv, der zusammen mit den Fingersehnen im Karpaltunnel auf der Innenseite des Handgelenks verläuft. Dieser Tunnel bietet schon von Natur aus wenig Platz. Wird der Raum noch enger, weil z. B. die Fingersehnen durch Überlastung entzündet und geschwollen sind, gerät der Nerv so stark unter Druck, dass er schließlich mit Reizsymptomen reagiert, also etwa mit Taubheit und Kribbeln, aber auch mit Schmerzen, besonders in der Nacht. Da der Nerv neben der Daumenballenmuskulatur auch den Daumen selbst sowie den Zeige- und Mittelfinger versorgt, spürt man die Missempfindungen vor allem in diesen Fingern. Bleibt ein Karpaltunnelsyndrom unbehandelt, kann der Nerv irreparabel geschädigt werden. Dann ist die Gefahr groß, dass es zu einem Muskelschwund des Daumenballens kommt und der Daumen seine Kraft einbüßt. 

Was können die Auslöser sein?

Dr. Zenta: Obwohl das Karpaltunnelsyndrom das häufigste Engpasssyndrom eines peripheren Nervs ist, sind die Ursachen nicht vollständig geklärt. Fest steht, dass Menschen, die ihre Hände berufsbedingt stark beanspruchen, besonders oft betroffen sind. Deshalb ist das Karpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit anerkannt. Aber auch einige Grunderkrankungen wie Diabetes oder rheumatoide Arthritis gelten als Risikofaktoren. Was nur wenige wissen: Die Erkrankung kann auch frühes Zeichen einer Schilddrüsenunterfunktion sein, dies gilt vor allem für Frauen. Deshalb macht es gegebenenfalls Sinn, sich parallel beim Internisten oder Endokrinologen durchchecken zu lassen. 

Ist ein operativer Eingriff notwendig?

Dr. Zenta: Wenn die Beschwerden erst seit Kurzem bestehen, ist es auf jeden Fall einen Versuch wert, das Handgelenk nachts mithilfe einer Handgelenksschiene ruhigzustellen. Treten die Symptome immer wieder auf, verschlimmern sie sich oder droht der Mittelnerv irreparabel geschädigt zu werden, empfiehlt es sich, das Band operativ zu durchtrennen, wodurch sich der Karpalkanal weitet und der bedrängte Nerv wieder den nötigen Raum bekommt. Der Eingriff ist nur wenig belastend und erfolgt meist ambulant in Lokalanästhesie.

Neben Gelenken und Nerven können auch die Sehnen und Sehnenscheiden einer Hand erkranken. Wie gehen Sie z. B. bei einem schnellenden Finger vor?

Dr. Zenta: Bei diesem Krankheitsbild kann die Beugesehne eines Fingers nicht mehr ungehindert durch das umliegende Ringbandsystem gleiten. Die Folge: Der Finger verhakt sich bei der Beugung und kann dann nur noch mit viel Kraftaufwand gestreckt werden – bis es zu einem schmerzhaften Schnellen oder Schnappen kommt. Ursache für diese Sehnengleitstörung sind Entzündungsvorgänge meist aufgrund einer Überlastung, dadurch kann beispielsweise die Beugesehne knotig verdickt sein. Zunächst müssen die Ursachen, die zur Entzündung geführt haben, erkannt und möglichst beseitigt werden, etwa im Rahmen einer Ergotherapie. Die Entzündung selbst wird mit Kortison-Injektionen in die betroffene Sehnenscheide behandelt, gegebenenfalls kombiniert mit der PRP-Therapie. Alternativ kommt eine kleine OP infrage, bei der das Ringband durchtrennt wird. Der Eingriff wird in der Regel ambulant durchgeführt und zeichnet sich durch eine hohe Erfolgsquote aus. 

Macht es Sinn, bei Hand- oder Fingerbeschwerden sofort einen Orthopäden aufzusuchen, oder sollte man doch lieber erst einmal abwarten?

Dr. Zenta: Erst einmal abzuwarten, ist in den seltensten Fällen sinnvoll. Zumal kranke Hände die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können. Gerade, wenn die Beschwerden anhalten bzw. wiederkehren oder immer schlimmer werden, sollte man mögliche Ursachen zeitnah orthopädisch abklären lassen. 

Zur Person

Dr. med. Steffen Zenta ist Facharzt für Orthopädie mit den Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Sportmedizin, Akupunktur und Fußchirurgie (DAF) und praktiziert seit mehr als 20 Jahren im Orthopädischen Versorgungszentrum (MVZ) im Helios München. Außerdem ist er Gründer und Leiter des Hand- und Fußzentrums München (HFZ). Dr. Zenta behandelt sämtliche Erkrankungen und Fehlstellungen des Fußes. Zu seinen chirurgischen Schwerpunkten gehören z. B. gelenkerhaltende Operationen bei Hallux valgus und anderen Vorfußerkrankungen, die operative Hammer- und Krallenzeh-Korrektur sowie die endoprothetische Versorgung des Großzehengrund- und des Sprunggelenks. Ein weiterer Schwerpunkt seines Leistungsspektrums ist die konservative und operative Behandlung sämtlicher Erkrankungen der Hände und Finger.

Nähere Infos: 
www.mvz-im-helios.de
www.hfz-muenchen.de

Bildnachweis:
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Michael Schultze (Dr. Zenta)